Telegrafie

Die erste elektrische Übertragung einer Nachricht
Die Telegrafie und die Eisenbahn
Erste Telegrafenlinien
Werner Siemens
Samual Morse
ITU: Die erste Internationale Organisation
Die Telegrafie ändert die Zeit


Nach all den Abschweifungen in die Entdeckung der Elektrizität kommen wir zurück zur Telekommunikation. Noch nicht der drahtlosen Mobilkommunikation, sondern zur drahtgebundenen Kommunikation. 

Die erste elektrische Übertragung einer Nachricht

Der Ort, in dem die erste elektrische Kommunikation stattfand, war ein kleiner pittoresker Ort im südlichen Niedersachsen. Hier hatte der König von England, Georg II eine Universität gegründet. Georg II (auch Georg August) war zeitgleich Kurfürst von Brauschweig Lüneburg. Diese Universität, nach dem Gründer Georgia Augusta genannt war im 19. Jahrhundert eine der führenden Universitäten weltweit. So arbeitete dort etwa der größte Mathematiker des Jahrhunderts, Carl Friedrich Gauß.

Carl Friedrich Gauß

Gauß war ein Universalgenie. Er beschäftigte sich nicht nur mit der Mathematik, er war auch fürstlicher Landvermesser und Astronom. Außerdem beschäftige er sich mit Physik und auch mit der Elektrizitätslehre. Dies tat er zusammen mit einem genialen Physiker namens Wilhelm Weber. Beide hörten von den Experimenten von Faraday und bauten selbst Induktionsapparate.

Wilhelm Weber

1833 benutzten sie die Elektrodynamik zur Übertragung einer Nachricht. Dafür bauten sie einen Apparat mit dem man eine große Spule in einen großen Dauermagneten hinein und hinausschieben konnten. Dieser war mit zwei sehr langen Drähten verbunden, welche von der Innenstadt zur Sternwarte am Stadtrand von Göttingen führten, eine Strecke von 1,1 km. In der Innenstadt stand ein Empfänger in Form eines Spiegelgalvanometers also eines sehr empfindlichen Strommessers. Die Stromstöße waren noch so gering, dass sie nur feine Ausschläge des Spiegelgalvanometers verursachten, die man mit einem Fernrohr beobachten konnte.

Links: Sender mit Spule und Magnet, Mitte: Spiegelgalvanometer als Empfänger, Rechts Fernrohr zum Ablesen der Ausschläge

Man kann mit dem Sender Stromstöße erzeugen, die man mit dem Empfänger messen kann. Dies reicht jedoch noch nicht für die Übertragung von Nachrichten. Was fehlt ist ein Code. Also eine Vorschrift die etwa Buchstaben einer Folge von Stromstößen zuordnet. So entwickelten Gauß und Weber auch einen Code in Form von Rechts- und Linksausschlägen des Galvanometers. 

Die Vorrichtung funktionierte. Angeblich war die erste Nachricht „Michelmann kommt“. Michelmann war der Hausmeister, welche von der Innenstadt zur Sternwarte geschickt wurde.

Erste Telegrafenlinie der Welt in Göttingen. Quelle: Researchgate.net

Gauß und Weber schufen kein Patent für ihren Telegrafen und dieser wurde auch nie kommerzialisiert. Gauß und Weber waren der Telegraf nur von rein wissenschaftlichem Interesse. Tatsächlich glaubten sie nicht an einen wirtschaftlichen Nutzen. Sie wandten sich anderen Forschungen zu.

Das Neue an dieser Kommunikation war, dass ein neues Medium zur Übertragung genutzt wurde die Elektrizität. Wie bei der Ausbreitung einer Nachricht mit Schall wird auch hier wird nicht etwas Materielles „übertragen“. Die Verbreitung von Nachrichten mit elektrischen Stromstößen ist praktisch wie eine lange Schnur mit einer am Ende angehängten Glocke. Nur die Energie des Ziehens wird durch die Schnur übertragen. So wurde auch nur elektrische Energie übertragen. Ladungsträger bewegten sich zwar, aber sie wurden nicht vom Ort des Senders zum Ort des Empfängers übertragen.

Die Telegrafie und die Eisenbahn

Die Tatsache, dass man mittels Elektrizität Nachrichten übertragen konnte, war nun bekannt. Es gab aber nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten. Es war nicht so, dass man darauf wartete, endlich eine neue Methode zur Nachrichtenübertragung zu haben. Damit es zu einem allgemeinen Nutzen kommen konnte waren große Investitionen nötig und wer sollte diese tätigen?

Vielleicht hätte es noch lange mit Einführung der Telegraphie gedauert, wenn nicht zur selben Zeit eine weitere Technologie eingeführt wurde, die Eisenbahn.

Die Eisenbahnlinien sorgten nicht nur für eine schnelle Reise zwischen Städten, sie ermöglichten auch die schnelle Realisierung von Telegrafenlinien und somit die Kommunikation zwischen Städten.

Die Eisenbahn verband Orte und Städte. Dazu existierten Strecken die perfekt auch zur Installation von Telegraphendrähten verwendet werden konnten. Wenn man also eine Zugverbindung von Leipzig nach Dresden hatte, verfügte man schnell auch über eine Telegrafenverbindung zwischen diesen Städten. Zunächst war die Telegrafie ganz im Interesse der Eisenbahn selbst. Die Anwendung war mehr „Signalisierung“ als die Übertragung von Nachrichten, ganz zu schweigen von privaten Nachrichten. Viele Ingenieure und Erfinder wurden nun aktiv neue und effizientere Instrument zu finden als der klobige Apparat den Gauß und Weber benutzt hatten.

So entstanden Systeme mit verschiedenartigen Anzeigen. Manche basierten auf Kompassnadeln, wobei von ein bis fünf Nadeln gleichzeitig verwendet wurden. Für diese Fünf Nadeln brauchte man dann auch fünf Leitungen. Es gab auch Anlagen welche direkt Buchstaben anzeigten; Zeigertelegrafen. Andere Empfänger konnten sogar Nachrichten schreiben. Das berühmteste System wurde von Samuel Morse entwickelt. Es bestand aus Punkte und Strichen welche Buchstaben darstellten. Es dauerte lange bis sich ein System durchsetzte.

Erste Telegrafenlinien

Die erste Telegrafenlinie der Welt wurde in England installiert. Die Great Western Railways verband damit die Londoner Paddington Station mit West Drayton, eine Strecke von 21 km. Sie ging bereits im Sommer 1837 in Betrieb. Zunächst wurde ein 5 Nadel Telegraf eingesetzt. Die hohe Anzahl von Drähten die auch noch isoliert voneinander sein mussten machten das System jedoch nicht sehr zuverlässig und wurde durch einen Einnadel Telegraf ersetzt. Dieses System war erfolgreich und bald folgte andere britische Telegrafenlinien entlang der Eisenbahnlinien. 

Fünf Nadel Telegraf von Wheatstone und Cooke 1837. Quelle: Science Museum London 

Richtig bekannt war diese technische Neuerung lange Zeit nicht, bis sich im Januar 1845 ein dramatisches Ereignis abspielte. In dem Städtchen Slough ereignete sich ein Mord. Der Mörder, ein Mann namens John Tawell floh mittels des Zuges nach London. Die Polizei übermittelte über die Telegrafenlinie nach Paddington die Nachricht, dass ein mutmaßlicher Mörder kommt. „Er sitzt im letzten Abteil und trägt einen langen braunen Mantel“ lautete die Nachricht. Der Beamte am Bahnhof informierte die Polizei und tatsächlich konnte der Mörder gefasst werden, weil die Nachricht von ihm schneller in London war als er selbst. Der Prozess erregte hohes Interesse vor allem durch die zur Festnahme führenden Telegrafie. Die Telegrafie war somit in aller Munde.

Die ersten Telegrafenlinien in Deutschland installierte man 1843 und 1844 entlang von Bahnlinien. 1846 gab es eine Verbindung zwischen Bremerhaven und Bremen. Wenig später auch eine Verbindung zwischen Cuxhaven und Hamburg. Dort war man nun in der Lage ankommende Schiffe zu melden die dann erst am nächsten Tag in den Häfen anlegen würden. In Bremen wurden allein im ersten Jahr 6802 Schiffsmeldungen und 3944 private Meldungen übertragen. Da diese Nachrichten Gebühren erforderten wurde die Telegrafie sehr bald profitabel.

Werner Siemens

Ein Ingenieur, dem die Chancen der Telegrafie sofort klar waren, hieß Werner Siemens. Zusammen mit einem Feinmechaniker namens Johann Georg Halske gründete er 1847 eine Firma zur Herstellung von Telegrafen. 

Werner Siemens

Werner Siemens begann sein Unternehmen mit dem Bau von Telegrafen

Dies war die Geburtsstunde eines der größten Technologieunternehmens das heute schlicht Siemens heißt. 

Siemens konstruierte einen Zeigertelegrafen, der recht robust war und der auch einen Sender enthielt. Er benötigte nur einen Draht zur Verbindung. Einen Zeigertelegraphen muss man sich als eine Art Uhrwerk vorstellen. Im Kreis dieser Uhr sind alle Buchstaben und die Zahlen angeordnet. Die Buchstaben und Zahlen können auf der Sendeseite wie Tasten gedrückt werde. Wenn z.B. die E Taste drückt, läuft das Uhrwerk und bei jedem Schritt wird ein elektrischer Puls übertragen. Es werden also so viel Pulse übertragen, wie es zum Erreichen des E benötigt. Auf der Empfängerseite läuft ein Zeiger synchron zum Sender. Für jeden Puls, den er empfängt, läuft, getrieben von einem Uhrwerk der Zeiger eine Position weiter, bis er bei E stehenbleibt. 

Siemens Pointer-Telegraph. Quelle: Deutsches Museum

Im Jahr 1848 gab es eine Ausschreibung für eine Telegrafenlinie zwischen Berlin und Frankfurt die Siemens gewann. Dies war eine Strecke von 500 km Länge. Nicht überall konnte entlang einer Bahnlinie gebaut werden. Für die langen Überlandstrecken benutze man Holzpfeiler und Porzellan-Isolatoren. Diese fertigte übrigens die berühmten Meissner Porzellanmanufaktur. 

1848/49 herrschte Revolution in Deutschland. In Frankfurt gab es Anfang 1849 in der Paulskirche eine Nationalversammlung, die eine Verfassung für das Deutsche Reich erarbeiten sollte. Es wurde beschlossen, dass der preußische König Friedrich Wilhelm als Kaiser des Deutschen Reiches das Staatsoberhaupt werden sollte. Dank der gerade fertiggestellten Telegrafenlinie von Siemens wusste man bereits eine Stunde nach der Entscheidung schon von dem Ansinnen. Als erst eine Woche später die sogenannte Kaiserdeputation mit der Nachricht erschien, hatte dieser bereits seine Entscheidung getroffen und abgelehnt. Die Revolution scheiterte und das Deutsche Reich musste sich noch 22 Jahre gedulden. Auf jeden Fall wurden Siemens und die Macht der Telegrafie durch diesen Coup berühmt.

Samuel Morse

Bereits 1837, nur 4 Jahre nach Gauß und Weber entwickelte ein amerikanischer Maler ein Gerät, mit dem man elektrische Signale „Aufzeichnen“ konnte. Eine Uhr zog einen Papierstreifen, auf dem ein hängender Stift eine Linie zeichnete. Mittels eines Magneten konnte Morse den Stift auslenken. So entstanden Zacken oder wenn man länger ausgelenkte Trapezförmige Formen auf dem Papierstreifen. Nun benötigte man einen Code der kurze und lange Auslenkungen in Zeichen umsetzte. Überraschenderweise kamen dieser Code nicht von Morse, sondern von einem Companion, Alfred Vail, mit dem er eine Firma für Telegrafie gründete. Es dauerte noch bis 1840, das Morse ein Patent für seinen Telegrafen bekam.

Der Morse Code setzte sich gegen den Zeigergrafen durch weil er fast sechs mal so schnell Nachrichten vermitteln konnte.

Morses Telegraf stand in direkter Konkurrenz zu den Zeigertelegrafen wie man sie vor allen in Europa benutzte. Welches war das bessere System? Kurz nach dem Triumph von Siemens bei der Frankfurt-Berlin Linie verglich man beide Systeme auf derselben Strecke in dem man eine Rede von König Friedrich Wilhelm per Telegrafie übertrug. Morses System brauchte 75 Minuten für die Übertragung, der Zeigertelegraf von Siemens sieben Stunden. Siemens war nicht jemand der nun schmollte oder irgendwie versuchte, doch noch seinen Telegraf zu retten. Er nutzte einfach die Tatsache, dass der Morsetelegraph in Deutschland nicht patentiert war, verbesserte ihn wesentlich und machte ihn somit zu eigen. 

Telegrafenlinien in Deutschland 1850. Quelle: Hundert Jahre Telegraphie in Frankfurt am Main (1949)

ITU: Die erste Internationale Organisation

1850 gab es bereits tausende Kilometer von telegrafischen Linien. Die Technik, welche man eingesetzte, war je nach Betreiber von Linie zu Linie oder von Land zu Land unterschiedlich. Dies war enorm hinderlich, wenn man „global“ kommunizieren wollte. Es war nicht praktikabel nach jeder Linie die Nachricht aufzunehmen und dann in eine weitere Linie wieder einzugeben. Man wollte direkte Verbindungen über die Grenzen hinweg. Also musste man die Telekommunikationssysteme standardisieren.

Im Juli 1850 trafen sich Vertreter von Preußen, Österreich-Ungarn, Bayern und Sachsen in der schönen Stadt Dresden, um über einen solchen Standard zu diskutieren. Zwei Jahre später gründete sich ein ähnlicher Verein für Frankreich, Belgien, Schweiz und Sardinien. Im Laufe der Zeit näherten sich die Organisationen an und vereinigten sich 1865 zur Internationale Telecommunication Union, ITU. Heute ist dies die älteste Organisation der United Nations. Diese gründete sich erst 1945.

1865 bildete sich die erste globale Organisation zur Standardisierung der Telekommunikation, die ITU.

Eine der ersten Standards der ITU war die Festlegung des Morse Codes. Dieser wurde mittlerweile noch einmal von dem Hamburger Friedrich Clemens Gehrke verbessert , der die schon in den vierziger Jahren die Telegrafenlinie zwischen Hamburg und Cuxhaven aufbaute.

Bis zum heutigen Tag arbeitet die ITU für Globale Standards in der Telekommunikation. 191 Mitgliedsländer sind heute in ihr vertreten. 

Die Telegrafie ändert die Zeit

Es gab im 19. Jahrhundert natürlich die Zeit und bereits sehr genaue Zeitmessung. Aber es gab keine „gemeinsame“ Zeit. Jeder Stadt und jeder Ort definierten seine „eigene“ Zeit. Wenn in dem jeweiligen Ort die Sonne mittags im Zenit stand, wurde die Uhr auf 12 gestellt. Es gab eine bestimmende Uhr, meist die Uhr am Rathaus oder der größten Kirche. An dieser Uhr orientierten sich alle anderen Uhren.

All das war kein Problem, bis zur Einführung der Eisenbahn. Diese kam mit Fahrplänen und diese hatten Uhrzeiten. Das funktionierte jedoch nur, wenn alle Städte auf der Strecke die gleiche gemeinsame Zeit verwendeten. Wie aber sollten die verschiedenen Städte die gleiche Uhrzeit haben? Dies ermöglichte die Telegrafie. Sie erlaubte es alle Uhren zu synchronisieren. Allerdings erlaubten nun die Herrscher der Länder nicht beliebige Zeiten. So gab es fortan eine Berliner Zeit, eine Wiener Zeit, eine Bayrische Zeit usw. In manchen Bahnhöfen führte dieser Umstand dazu, dass verschieden Uhrzeiten gezeigt wurden, ähnlich zu den heutigen Weltzeituhren.

Die Telegrafie erlaubt erstmals die Realisierung von Zeitzonen da es möglich wurde Uhren mittels elektrischer Signale zu synchronisieren.

Man musste sich also auf eine gemeinsame Uhrzeit einigen. Die Amerikaner, getrieben durch ihre Eisenbahnlinien hatten bereits begonnen ihren Kontinent in Zeitzonen einzuteilen. All 15 Längengrade änderte sich die Zeit um eine Stunde. (15 x 24 = 360 grad). Nun musste man sich nur noch in einer internationalen Konferenz 1884 darauf einigen, dass das englische Observatorium in Greenwich den Null Median bestimmt. Nun konnte man die Welt in 24 Zeitzonen einteilen. In Europa gab es die Wahl in welcher Zeitzone man sein wolle und so bestimmte Kaiser 1893 dass in Deutschland Mitteleuropäische Zeit herrschen sollte. Seitdem gehen alle Uhren (in Deutschland) gleich.